3. September 2013

Like A Virgin

Ist Berlin nicht toll und verrückt und hübsch und niedlich und abgefahren und auch wenn es regnet trotzdem so viel zu sehen und ach Gott wie niedlich dieses Café mit den kleinen Sesseln.... Ich hatte mal wieder einen Tag als Touristenführer hinter mich gebracht. Als Hauptstadtbewohner kennt man das Problem. Man liebt seine Stadt und man liebt die Menschen, die einen besuchen kommen. Nur die Kombination kann anstrengend sein. Diese Woche sind meine Mutter und ihr Langzeit-Lebensabschnittsgefährte zu besuch. Ich wohne seit deutlich mehr als zehn Jahren in Berlin, die zwei sind regelmäßig hier und langsam wird es schwierig ihnen noch Neues zu präsentieren. Da muss man sich schon echt überlegen, wo man hingeht. Man glaubt gar nicht, wie viele Kindersärge in der Gruft unter dem Dom stehen. Und um die Kindersärge herum tummeln sich lauter quirlige Senioren. So klitzeklitzekleine Särge.... Auch niedlich. Fast wie diese niedlichen kleinen Cafés.... Ach ja, Berlin...schon toll...

Nachdem ich meine Mutter am Samstag dann noch mit einem herztriefigen Till Schweiger Film über eine Irre ohne Schuhe ins Bett gebracht hatte und sie sich mehrfach und herzlichst für diesen schönen Film bedankt hatte, war ich wirklich reif für Alkohol. Ich machte mich also mit einem Magen voller Till-Schweiger-Romantik, Muttis Essen, Whisky und Bier auf den Fußmarsch in die Stammbar. Ich hatte dafür trotz des Films Schuhe angezogen und ein Wegbier gekauft. Mein MP3-Player entfernte die letzten Erinnerungen an Till Schweigers markantes Grinsen und die lustigen, kleinen Kindersärge aus meinem Kopf. Dafür benötigte ich allerdings den ganz harten Stuff und so hämmerten den ganzen Weg über die stumpfen Dancefloor-Beats des neuen Pet Shop Boys Albums gegen mein Hirn...
Talking tough and feeling bitter
We're better now, it's clear to me
That love is a bourgeois construct
So I've given up the bourgeoisie


Ich kam in der Bar an und es war rappelvoll. Alle waren da. Wing3 war pleite und betrunken wie immer und lehnte in einer Ecke. K stand mit knallroten Lippen und einem knallroten Minikleid an der Bar und hatte sich offensichtlich endgültig von ihrer Trennung erholt. Sie gab mir ständig Tequila aus und Wing3 schnorrte mich dafür ständig um Bier an. „Ach was soll's, Simba“ dachte ich mir „das nennt man im Pick Up 'Circle Of Life' oder COF“. Ich trank mit beiden abwechselnd und plötzlich stand eine zuckersüsse Blondine vor mir, von der ich mir sicher war, sie schon mal gesehen zu haben. Ich quatschte sie an und es stellte sich heraus, dass ich ich sie aus der neoParadise-Folge mit Olli Schulz und DEVIL kannte, in der sie Olli ihre Handynummer im Tausch gegen diesen phantastischen Zwergen-Witz gegeben hatte. Ich war Feuer und Flamme! Leider ihr Boyfriend, den ich völlig übersehen hatte, nicht. „Oh Shit, sorry! Ich glaube mein Freund ist hier gerade etwas dramatisch rausgestürmt“ meinte sie irgendwann und verabschiedete sich hastig. Schade eigentlich. Wenn Du das hier liest: Rechts steht meine E-Mail-Adresse! Ich erzähl dir auch nen Witz!

Ich hatte diese Nacht viel Spaß und gegen Morgen saß ich mit einer kleinen Blonden mit vielen Sommersprossen und einem etwas spießigen Dutt in der hintersten Ecke der Bar. Sie erklärte mir, sie sei Anfang 20, gerade zum Studieren nach Berlin gezogen, und habe sich erst vor kurzem von ihrem allerersten Freund getrennt. Auf mich wirken solche Aussagen immer seltsam entspannend, obwohl man sich ja eigentlich dafür schämen müsste, sein männliches Ego im einundzwanzigsten Jahrhundert noch durch den 'Jungfrauenbonus' beruhigen zu können. Ich spürte trotzdem, wie ich mich instinktiv etwas zurücklehnte, meinen Fuß lässig auf eine Stuhlkante stellte, meine Stimme senkte, meinen Whisky schwenkte und mich innerlich darauf einstellte, dem kleinen Hasi jetzt mal schön die große Welt zu erklären, als Wing3 plötzlich vor uns auftauchte. Lallend versuchte er uns beide davon zu überzeugen, jetzt sofort mit zu ihm zu fahren. Sein riesiger Kumpel, den er dabei hatte, wolle auch mitkommen erklärte er uns, und wir würden bei ihm dann 'Afterhour' machen. Da ich mit chemischen Drogen nur selten experimentiere, muss ich bei dem Begriff 'Afterhour' immer noch grinsen und ich verstand auch nicht ganz, was unsere seltsame, kleine Runde dann bei ihm zuhause genau tun sollte, was wir hier in der Bar nicht auch tun könnten. „Er scheint wohl einfach mal wieder völlig betrunken zu sein“ dachte ich mir und wollte eigentlich nicht weiter darauf eingehen, als er abermals das Quengeln anfing und, genauso wie sein großer Freund, seltsam meine kleine, blonde Unschuld fixierte.

Ich sah Cinderella an und sie blickte leicht genervt zu Wing3 hoch und meinte nur völlig ruhig: „Oh Mann! Nö! Ich hatte so viele Dreier und Vierer in letzter Zeit und mit euch zwei vor allem; ich hab da eigentlich nicht schon wieder Bock drauf“. Dann lehnte sie sich wieder zurück und nahm genervt einen Schluck Bier. Ich hörte seltsamerweise das sägen-ähnliche, lauter werdende Kreischen eines Junkers Ju 87 Sturzkampfbombers, aber vielleicht war es auch nur meine Attraction, die aus 5000 Metern Flughöhe auf das Dach der Stammbar zuraste. Bis zum Einschlag vergingen noch einige Sekunden, dann krachte die komplette Sexyness, die Lolita in der letzten halben Stunde aufgebaut hatte, bestückt mit zwei 500kg-Attraction-Bomben durch die Decke der Bar, riss ein Loch in den Boden vor dem Tresen und explodierte im Keller. Ich wurde von zwei leeren Berliner-Pilsener-Kästen am Kopf und an der Schulter getroffen, blieb aber sonst unverletzt. Überall war Rauch, Dreck und Staub und als sich der erste Schock legte, starrte die gesamte Bar wütend und vorwurfsvoll zu unserem Tisch herüber. Alles was man hörte, war das leise Rieseln durch das große Loch in der Decke.

Attraction-Absturz in der Stammbar
Der erste der sich wieder bewegte war Wing3. Er setzte sich ohne ein Wort neben mein Blondi und begann sie heftig zu küssen. Ich stand auf, klopfte mir den Putz von Jacke und Hose, und ging kommentarlos weg. Ich entschuldigte mich bei einigen Gästen, deren Drinks vor dem Einschlag noch relativ voll waren, und jetzt mehr Bauschutt als Flüssigkeit enthielten, wischte selbst den Staub vom Hals meines Bieres und ging nach draussen. Es ist schon seltsam, wie schnell und heftig eine Frau an Attraktivität verlieren kann, wenn man feststellt, dass ihr sexueller Horizont leider nicht von dem Planeten aus, auf dem sich der eigene befindet, zu sehen ist. Sollte man da nicht eigentlich drüber stehen als moderner Mann? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Mir war es an diesem Abend jedenfalls egal, da ich nicht vor hatte, der Blubb im Spinat dieser spezielle Ménage à trois zu werden. Zum einen, weil ich bekanntlich ein Spießer bin, und zum anderen weil ich es vorziehe keinen Sex vor, neben oder mit Männern zu haben, mit denen ich in Zukunft noch häufiger an einem Tresen stehen werde. Man fragt sich nur, ob dieser Effekt diesen possierlichen, aufgeschlossenen Jungfrauen von heute eigentlich überhaupt bewusst ist, oder ob ihnen das eben auch einfach egal ist...?

Einige Stunden später stand ich alleine in einem kleinen, ziemlich verdrogten Techno-Club, als eine Braut im langen weißen Kleid, das Gesicht hinter einem Schleier, an mir vorbeirannte, auf die Tanzfläche stürmte, kurz aber derb wie Zäpfchen abging, und dann genauso schnell und mit wehenden Gewändern wieder an mir vorbei aus dem Laden stürmte. Zeitgleich hatte irgendwo in Berlin eine kleine Zwanzigjährige einen weiteren, für sie stinklangweiligen, Dreier mit zwei betrunkenen Freaks aus einer eingestürzten Bar. Moral kommt und Moral geht. Manchmal bleibt sie nur kurz; und manchmal rennt sie Morgens auf MDMA und mit einem Bier in der Hand an einem vorbei, und alles was bleibt sind Trümmer. Aber der Dom war toll.


Elia

4 Kommentare:

  1. Ähm ich habe nicht alles gelesen aber lass mich raten. Elia am ende besoffen und alleine auf dem Weg nach Hause ...
    Ehrlich lustig und unterhaltsam aber wann willst du mal was gegen dieses Armseelige leben tun ? Es ist langsam immmer das selbe und diese Looser Story langweilt mich doch etwas.

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    1. Hey,

      ich verstehe nicht ganz, wie du darauf kommst, ich würde ein armseeliges Leben führen?
      Weil ich die Zwanzigjährige nicht zusammen mit den anderen Jungs gevögelt habe? Wäre es nicht eher armseelig, wenn ich mich dazu gezwungen gefühlt hätte, es zu tun, um anonymen Männern im Intenet damit irgendwas zu beweisen?

      Elia

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  2. Ich mag deine Texte. Dein Schreibstil und deine Gedanken gefallen mir, und ich glaube das Pick Up dich weiter gebracht hat, als du denkst.

    Pick Up ist wie du erkannt hast mehr als Sex, es geht für mich vielmehr einher mit Persönlichkeitsentwicklung, und du sagst selbst das du glücklich bist. Was willst du mehr? :D

    Sollte ich mal in Berlin sein will ich unbedingt mit dir losziehen, ich glaube menschlich kann ich viel profitieren, und was du immer fürn Scheiß erlebst ist einfach zu geil :D

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    1. Danke Dir! Ja ich glaube auch, dass allein das Losziehen, die Beschäftigung und der viele Umgang mit PickUp und Frauen im letzten Jahr ein paar Sachen verändert haben, da hast du sicher recht! Und ich habe tatsächlich heute nochmal darüber nachgedacht, dass es bisher ein ziemlich witziges Jahr war und ich einiges an Spaß hatte...

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