14. Juli 2013

There is allways a Philipp

So hässlich Berlin im Winter ist, so schön ist es im Sommer. „Ich bleib für immer einfach hier sitzen“ sagt Wing2 regelmäßig, wenn wir zusammen an der belebten Kreuzung vor dem kleinen Pizzaladen sitzen und versuchen uns auf's Essen zu konzentrieren während dicht neben uns ein Minirock nach dem anderen vorbei stöckelt. Besonders hart ist der Sommer aber natürlich für Daygame-Loser wie mich, deren AA auf der Straße so groß ist, dass sie zum Glück die ganzen hübschen Mädchen dahinter gar nicht sehen können. Und so konnte sich mein völlig überfordertes Hirn neulich auch der Situation, dass zeitgleich zwei wunderschöne Elfchen auf ihren Retro-Fahrrädern an der Ampel neben mir und meinem klappernden Schlachtross hielten – eine rechts, eine links - nur entziehen, indem ich mich geschlagene 90 Sekunden der philosophischen Frage widmete, ob nun eigentlich der Sommer immer nach Mädchen, oder die Mädchen immer nach Sommer riechen. Als die beiden losfuhren starrte ich ihren fliegenden Kleidern so lange regungslos nach, dass es fast schon wieder rot wurde, als ich in meinen Körper zurückgekehrt war.

Ein weiterer Pluspunkt des Sommers ist, dass ich mich wieder dem wunderbaren und fast arbeitsfreien Projekt des 'Anarcho-Gärtnerns' widmen kann, dessen stolzer Erfinder ich bin und das ich seit fast 10 Jahren auf meinem Balkon mit aller politischer Härte vorantreibe. Wer von euch den solidarischen Drang verspürt mitzumachen, hier eine kurze Anleitung und das Regelmanifest zu 'Elias Anarcho Garten':
  1. Fülle diverse Blumenkästen mit Mama Erde und stelle sie auf deinem Balkon zur freien Verfügung. Für die jetzt bereits wieder weinerlich gekränkten Maskulinisten stellst du noch einen kleinen Blumentopf mit Papa Erde daneben.
  2. Gieße sie regelmäßig und dünge sie von Zeit zu Zeit.
  3. Alles was angeflogen kommt und sich wohlfühlt hat Bleiberecht und darf wachsen.
  4. Einmal pro Woche ist Aktionstag. Ziehe hierfür dein T-Shirt aus, stelle dich breitbeinig mit erhobener Faust auf deinen Balkon und lasse dich von belustigten Passanten fotografieren. Sonntags darfst du das auch gerne noch mit einem 'Anarchie ist machbar, Herr Nachbar“-Transparent oder der gesungenen 'Internationale' ausschmücken.

Aber all der Spaß und die kurzen Röcke sind nichts gegen den wichtigsten Pluspunkt und das deutlichste Anzeichen, dass es Sommer ist in Berlin: Das ungefragte Feiern auf Privatpartys von Menschen, die man nicht kennt. Man läuft nachts durch die Straßen, man vernimmt gar lieblich laute Musik und Geräusche aus einer Wohnung und zack, schon hat man etwas viel besseres auf der Agenda als den blöden Club! Als ich vor über zehn Jahren nach Berlin zog, war diese sommerliche Sportart nicht nur weit verbreitet in der schönsten aller Städte, sie gehörte praktisch zum guten Ton. Wer wirklich etwas auf sich hielt kam nicht nur spät zu einer Party, sondern hatte auch keinen blassen Dunst, wer oder was hier eigentlich gefeiert wird und kannte natürlich auch keine alte Sau. Doch selbst in der guten, alten Zeit war ein solch 'besonderer' Partygast natürlich nie ganz vor den berühmten und gefährlichen vier Frage sicher, „wer bist du eigentlich?“, „wer hat dich eingeladen?“, „ist das unser Whisky in deiner Tasche?“ und „hat einer von euch ins Treppenhaus gekotzt?“.
Bei den letzten beiden Fragen hilft nach meiner Erfahrung wirklich nur ekelhaftes, dreistes Lügen, was man aber ja bekanntlich nach Alkoholkonsum und in Stresssituationen besonders gut kann. Für die ersten zwei hingegen empfehle ich schon seit Jahren immer auf unseren lieben Freund Philipp zu verweisen. Wir kennen ihn alle. Wir lieben ihn alle. Wir haben alle so viel mit ihm erlebt, dass man stundenlang über ihn reden könnte. Gerade war er ja auch noch hier, aber naja, wir wissen ja schließlich alle wie Philipp so ist. Gerade noch neben dir und schon wieder weg. So ist er eben. Unser Philipp!

Das schwierigste logistische Problem dabei endlich auf Sabines Geburtstagsfeier zu kommen, obwohl man Sabine gar nicht kennt (oder noch nicht), ist aber meist die richtige Klingel zu finden. Bei manchen Häusern helfen einem schon mal Beschriftungen auf dem Klingelkasten, wie 'Hinterhaus', 'Seitenflügel' und so weiter, oder ein betrunkener Partygast auf dem Balkon, der so aussieht, als würde er sich über neue Freunde freuen. Gelegentlich lässt sich auch von dem Stockwerk auf die Reihe der Klingeln schließen, oder man nimmt die Rambo-Methode und klingelt einfach mal einige Nachbarn aus den Betten – schlafen konnten die ja wahrscheinlich eh nicht. Aber mein persönlicher Tipp ist immer noch das gute, alte 'Tailgating'. Hierfür stellt man sich einfach an den Hauseingang seiner Wahl und wartet bis eine lustige Truppe neuer Partygäste ankommt, die natürlich wissen, wie Sabine mit vollem Namen heißt, um sich dann entweder direkt unter die Gruppe zu mischen, oder zumindest den Vorteil der nun offenen Haustür zu nutzen. Ein Bonus hierbei ist natürlich auch, dass man gleich mit einem ganzen Schwung neuer Gäste ankommt, automatisch zu der Gruppe gerechnet wird und sich damit eventuelle blöde Fragen an der Wohnungstür spart.



Es war eine der ersten richtig warmen Sommernächte und Wing2 hatte es sich mit mir in der Stammbar gemütlich gemacht. Viel mehr konnte man da an diesem Abend auch nicht machen, weil sich aus irgendeinem Grund alle paarungswilligen, attraktiven Weibchen der Stadt für eine andere Bar entschieden hatten um dort auf die Ankunft ihrer Traumprinzen zu warten und ihren Gurken-Gin zu schlürfen. Auch das Auftauchen von Wing3, besoffen und pleite wie es von ihm erwartet wird, hob die Stimmung in der Bar nicht wirklich und so beschlossen Wing2 und euer treuer Nichtheld einige Stufen zu überspringen, nicht über Los zu gehen und direkt in den Absturzclub einzufallen. Ein alleine schon deswegen ungewöhnlich bis denkwürdiger Move, weil Wing2 eigentlich den Absturzclub meidet und für die frühen Morgenstunden ein eigenes, kleines Clübchen vorzieht.

Angenehm laute Elektromusik gemischt mit Gläserklirren und Lachen drang von einem Balkon und diversen offenen Fenstern im dritten Stock eines Eckhauses auf die Straße. Wing2 schob gerade eines seiner fünf Fahrräder, die 'Handtaschen' der Berliner Single-Männer, neben mir her als wir beide instinktiv stehen blieben, nach oben blickten und nach der Quelle dieser lieblichen Symphonie Ausschau hielten. Wir orteten Zeitgleich den Balkon und sahen einige Schatten darauf herumstehen, rauchen und trinken. „Ey!.... Hey! Hallo!“ versuchten wir Kontakt zu Planet Party herzustellen. Vergebens. Entweder war die Musik zu laut oder man war zu cool um mit Menschen, die drei Altbaustockwerke unter einem in der Partyhierarchie standen zu kommunizieren. Also gut, dann anders. Wir versuchten am Klingelkasten unser Glück. Nix zu machen. Viele Klingeln und kein Hinweis darauf, welche die Party-Klingel war. Wir entschlossen uns zu warten, ob in absehbarer Zeit nicht vielleicht neue Gäste kommen würden. Während wir so warteten kam mein schwuler Club-Freund (der Mann mit dem kontraproduktiven Arschfick-Opener... siehe 'Ostern ohne Eier' 13. April 2013) an uns vorbei spaziert. Nachdem wir ihm unsere Mission erklärt hatten versuchte auch er sich an den Klingeln, versagte aber ebenso und erklärte uns dann er würde jetzt mal weiterziehen gen Absturzclub. Nach einer viertel Stunde brachen wir frustriert ab und gingen ebenfalls weiter.

„Puh, ey das sind irgendwie nicht so meine Frauen“ monierte Wing2 vor sich hin, als wir vor dem Absturzclub standen und ich mein halbvolles Wegbier in mich hinein stürzte. „Ne, Mann. Sind sie nicht. Waren sie auch noch nie. Das wussten wir doch vorher. Das ist der ABSTURZCLUB. Hier wird gefressen, was auf den Tisch kommt“ antwortete ich. Mit schlechter Laune entschied Wing2 dann aber doch kurz mit reinzuschauen. Es wurde drinnen nicht besser. Nach dem ersten Bier verkündete er seinen Rückzug. Wir verabschiedeten uns und ich gesellte mich zu meinem Gay-Freund und seinem neonroten Drink an die Bar. Grundsätzlich sind Schwule ja Frauenmagneten. Das Problem bei ihm, abgesehen von seinen deplatzierten Aufforderungen zum Analverkehr, ist eher, dass er, solange er nicht tanzt, überhaupt nicht schwul aussieht. Ich setzte also alle meine Hoffnung in den roten Drink in seiner Hand. Als nach 10 Minuten immer noch keine Frauen neben uns standen, überlegte ich schon ein buntes Schirmchen und ein bisschen Obst zu besorgen, um sein Glas etwas schwuler zu dekorieren. Doch plötzlich tauchten zwei hübsche, junge Mädels auf, stellten sich neben mich an die Bar und begrüßten meine homosexuelle Venus-Fliegenfalle sofort sehr herzlich. Geht doch. Scheiß auf Day-Game, ich mach Gay-Game!.... Und wer hat's wieder erfunden?

Schüchtern und dumm wie Brot, wie ich manchmal bin, bot ich meinem Bekannten nach 2 Minuten Geplapper quer über mich hinweg an, die Plätze zu tauschen. „Danke“ kommentierte er kurz. Mir wurde zu spät klar, dass ich jetzt endgültig aus dem Gespräch raus war. Die Drei tratschen neben mir und ich konzentrierte mich voll auf mein Bier. Zum Glück schlug eines der beiden Mädchen schließlich vor, in einen anderen Bereich des Clubs zu wechseln. Dort angekommen konnte ich aber auch nur ein paar flüchtige Worte mit den Mädels wechseln, weil schon nach zwei Minuten meine Hose vibrierte. Es war Wing3. Ich verstand ihn sehr schlecht, was zum einen daran lag, dass er auf einer Party war, zum anderen daran, dass ich in einem Club war und zum dritten daran, dass er wie gewohnt grenzwertig betrunken war. „Eyischbin aufssoner Privatparty!“ plärrte er aus meinem Handy „Sinpaar ssssschööne Mädels hier! Kommher!“. Guter Mann! Wirklich Verlass ist eben immer nur auf die betrunkensten unter uns! „Alles klar! Ich bin in 10 Minuten da! Kommst du runter und lässt uns rein?“ schlug ich vor. „Machissch!“

Die zwei Mädels stellten sich als langweilig heraus und wollten nicht mitkommen, obwohl selbst ihr schwuler Freund sofort Feuer und Flamme für die Idee war, auf die Privatparty um die Ecke zu gehen. Eigentlich ein guter Test. Scheiß auf Mädels, die den Witz bei so was nicht verstehen! 10 Minuten später standen wir also wieder vor der gleichen Haustür. Nach kurzem Warten ging das Licht im Treppenhaus an und ein schwankender Schatten kam von innen auf das Milchglasfenster in der Tür zu. „Eeeeyy!“ begrüßte uns Wing3 und fiel direkt zurück in den Hausflur. Er war so euphorisch, wie man nur in diesem wundervollen Zustand kurz vor dem endgültigen Versagen der Motorik sein kann. Wir folgten ihm die Treppen hoch bis in den dritten Stock und klingelten an der Wohnungstür. Es öffnete ein Mädchen, die uns kurz sehr kritisch ansah, dann aber einfach ging und den Weg frei machte. Zu meiner Enttäuschung lag die Party wohl schon in den letzten Zügen, zumindest war der Flur der Wohnung menschenleer. Kein gutes Zeichen. Ich ging instinktiv bis ans Ende des Flures durch, wo ich Licht aus einer offenen Tür sah. Auf meinem Weg bogen Wing3 und mein Bekannter links in ein großes dunkleres Zimmer ab, welches anscheinend das Wohnzimmer war und wo noch einige Menschen am tanzen waren. Am Ende des Flures wartete die Küche auf mich. Bingo! Mein Bier-Radar hatte mich ein weiteres Mal nicht im Stich gelassen.

Um einen kleinen Küchentisch saßen 4 Jungs und blickten zu mir rüber. „Hey, is noch Bier da?“ fragte ich, als wäre ich den ganzen Abend schon hier gewesen. Natürlich eine blödsinnige Illusion auf einer Party auf der, nach meinem bisherigen Eindruck, vielleicht noch 20 Leute waren. „Äh, im Kühlschrank gibt’s noch welche. Sind aber die letzten“ antwortete einer. „Cool, warum sagt mir das denn keiner? Dachte es wäre schon alle“ hielt ich tapfer an meinem Drehbuch fest. „Ähm.. Wer bist du denn?“ fragte mich der Typ, der mir das Bier aus dem Kühlschrank herüberreichte. „Elia. Ich bin ein Kumpel von Philipp. Der hatte mir gesagt, ich soll noch vorbeikommen, aber jetzt ist er selbst schon weg“ warf ich den Köder und wartete, ob sie ihn fressen würden. Hm... Unangenehme Stille. „Na, dann prost!“ verkündete ich und trat den Rückzug an.

Im dunklen Wohnzimmer fand ich meine zwei Jungs. Der eine quatschte mit zwei Mädels in der Ecke, drei mal dürft ihr raten, welcher von beiden. Und der Heterosexuelle lehnte alleine in einem Fensterrahmen und grinste mich durch die tanzenden Mädchen hindurch an. Die Musik war angenehmer bis bedeutungsloser Hipster-Elektro und die tanzenden Mädchen – die Jungs saßen ja in der Küche – passten dazu. Man war wohl eine zugezogene Mädchen-WG und befolgte penibel alle Berliner Mitte-Regeln. Man trug also bunte, luftige Kleidchen und dazu einen total niedlich-unordentlichen Dutt. Ich beschloss eine Runde zu tanzen. Das Mädchen neben mir fing an einen bunten Hula Hoop Reifen um ihre Hüften kreisen zu lassen, der dabei bedenklich nah an den niedlichen, kleinen Flohmarkt-Gegenständen auf der niedlichen, kleinen Flohmarkt-Kommode hinter ihr vorbei rauschte. Wing3 und ich beobachteten sie dabei einige Sekunden, dann sprach ich sie an. „Hey, das machst du gut! Trittst du damit auch auf?“ fragte ich über ihren Reifen hinweg. Sie antwortete mit irgendeiner uninteressierten Belanglosigkeit. Ich brabbelte auf dem gleichen Niveau zurück, fragte mich aber zeitgleich ob denn heute die 'Internationale Nacht der langweiligen Spießer' sei. Die Mädchen im Club und die Jungs in der Küche fielen ja schon in den Bereich Narkosemittel, aber desto genauer ich mir die tanzenden Studentinnen um mich betrachtete, desto fahler schmeckte mein Bier. Es waren die Art von Mädchen, die in High Heels zumindest optisch in das Beuteschema von Wing2 fallen würden, bei denen ich mich aber immer fragte, ob sie nicht furchtbar nach Seife schmecken würden und ob ich jemals genug Kaffee besitzen würde, um in einem Gespräch mit ihnen wach zu bleiben.

Meine böse innere Stimme sollte recht behalten. Nach 10 Minuten standen plötzlich drei von den gerade noch ausgelassen tanzenden Spießer-Mädchen vor Wing3, mit einer Körpersprache die eher an das Bayerische USK erinnerte und so gar nicht mehr zu ihren Kleidchen passte. Ich sah zu ihm rüber und musste mit Schrecken feststellen, dass sein rechter Arm gerade auf mich zeigte. Dann kam die ganze Truppe auch schon auf mich zu. Die Mädels bauten sich vor mir auf, wie Putins Schlägerbullen vor einem Schwulen mit Femen-T-Shirt. „Wir wollen, dass ihr jetzt geht“ verkündete die größte und stärkste von ihnen „euch kennt hier keiner“. Ich überlegte kurz nochmal meinen Kumpel Philipp ins Spiel zu bringen, war mir aber leider zu sicher, dass eine von ihnen die Gastgeberin war und sie mit den Jungs in der Küche sicher schon alle Philipps dieser Welt durchgegangen war. „Naja, ich würde eher sagen, wir kennen uns NOCH nicht! Ich heiße Elia, hallo“ versuchte ich es mit all meinem Charme und streckte der Anführerin der Amazonen freundlich meine Hand entgegen. „Nein, wir wollen wirklich, dass ihr jetzt geht. Ihr könnt das Bier mitnehmen“ erklärte sie mit ein wenig Pfefferspray in der Stimme. Es hörte sich eindeutig an, wie die letzte Aufforderung vor dem Wasserwerfer-Einsatz und so beschlossen Wing3 und ich – unseren schwulen Freund hatten sie anscheinend übersehen - uns langsam und unter freundlichsten Witzeleien in Richtung Tür zu bewegen.

Kurz vor der Wohnungstür stoppte uns ein kleiner, dicker BWL-Student mit dunkelblauem Pullunder über hellblauem Hemd und einer Art HJ-Frisur für Arme. „Ihr verschwindet jetzt mal besser“ kläffte uns die vom Alkohol wohl zu mutig gewordene Mozartkugel an und stemmte die kleinen, dicken CSU-Fäustchen an die Stelle wo normalerweise die Taille ist. „Ganz groß“ dachte ich mir „nachdem die Mädchen den Rauswurf gemanagt haben, muss Erling jetzt natürlich auf den letzten Metern noch den Alpha-Mann markieren“.
„Hör mal zu, Freund, wir waren gerade auf dem Weg nach draußen“ erklärte ich ihm ruhig „aber ich würde vorschlagen, du gehst jetzt mal wieder in die Küche, sonst wird das hier nix“. Wing3, der deutlich betrunkener war als ich, konnte sich nicht zurückhalten und musste noch nachtreten „Genau, verpiss dich jetzt mal!“. Mir wurde die Situation zu angespannt und ich beschloss, dass es das Beste sei, die Wohnung möglichst zügig und friedlich zu verlassen. Kaum waren wir draussen vor der Tür bellte unser Mini-Türsteher aber auch schon wieder durch den noch offenen Türspalt „Los jetzt raus hier!“. Wing3 war nicht mehr wirklich zu stoppen „Das geht auch freundlicher, Fetti! Komm mit raus, dann klären wir das!“. Zu meiner Überraschung kam unser Junge-Union-Wachhund tatsächlich aus seiner Hütte und begleitete Wing3 unter den, unter Männern in diesem Zustand üblichen, verbalen Muskelspielen die Treppen hinunter. Ich hatte keine große Lust, mich weiter an dem lyrischen Schwanzvergleich zu beteiligen und trottete hinterher. Allerdings nicht ohne in jedem Stockwerk auch wirklich jede Klingel auf ihre Funktion zu testen. Schließlich wollte ich nicht, dass sich unser Hobby-Bulle auf seinem Rückweg später einsam fühlt.

Im Flur vor der Haustür kam uns gerade eine Gruppe neuer Partygäste entgegen. Wing3 erklärte seinem neuen Lieblingsfeind lautstark, dass er ab jetzt keinen Schritt mehr weitergehen würde, worauf sich natürlich ein weiteres Wortgefecht entzündete. Ich unterhielt mich kurz mit den anderen Leuten, wünschte ihnen viel Spaß auf der Party und erklärte unserem Bodyguard, dass es jetzt wirklich reichte und er jetzt lieber zurück zu seinen Mädels gehen solle, was er dann auch zum Glück tat. Wing3 und ich tranken im Flur noch unser Bier und warteten, ob vielleicht unser dritter Genosse noch hinterher geschickt würde. Statt ihm kam aber die Gruppe neuer Gäste wieder herunter und erklärte uns, man hätte sich oben geweigert, ihnen die Tür zu öffnen. Wir konnten uns kaum halten vor Lachen. Offensichtlich war man, schockiert von der Begegnung mit fremden Menschen, im dritten Stock jetzt dazu übergegangen, alle Fenster und Türen zu vernageln. Willkommen in Berlin, Mädels!

Zur Verteidigung dieses Konzepts sollte man noch erwähnen, dass dies das erste Mal war, dass ich beim Besuch einer fremden Party überhaupt aufgefordert wurde zu gehen, geschweige denn, dass es derart unspaßig wurde. Die negativste Reaktion, die ich vorher bei solchen Aktionen erlebt hatte, war als letzten Sommer bei einer ähnlichen Geschichte nach 10 Minuten einer der Gastgeber uns aufforderte „also ihr könnt alle gerne hier feiern, aber könntet ihr bitte eure Schuhe ausziehen?“.

Bisher konnten wir nicht in Erfahrung bringen, was aus unserem fehlenden, dritten Mann geworden ist und ob er jemals aus dieser Wohnung wieder herauskam. Am einfachsten wäre das wohl gegangen, indem er sich als 'Philipp' vorgestellt hätte.

Und was lernen wir nun aus dieser Geschichte? Nichts natürlich. Und hatte wenigstens irgendjemand Sex in dieser Nacht? Sicherlich.

Nur eben keiner von uns. Aber lustig war's trotzdem.


Elia

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